Das Karst-Wasserschutzgebiet Goslar-Langelsheim-Baddeckenstedt
Nach über 40-jähigen Vorarbeiten (!): Das Wasserschutzgebiet
Goslar-Langelsheim-Baddeckenstedt muss ausgewiesen werden!
Im Frühjahr 1997 trat nach über 30-jährigen Vorbereitungen die Verordnung über die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes für die Wasserwerke Alt Wallmoden und Baddeckenstedt in Kraft. Das Schutzgebiet, das in 3 Schutzzonen gegliedert war, lag nordwestlich der Stadt Goslar und umfasste insgesamt eine Fläche von ca. 8200 ha. Aber einige betroffene Landwirte und eine Kommune erhoben daraufhin gegen das WSG Normenkontrollklage und obsiegten. Angesichts der Tatsache, dass die zu schützenden Quellen jährlich etwa 9 Mio. m³ Trinkwasser für 300.000 Menschen und die Industrie liefern und dieses Wasservorkommen eines der größten in Niedersachsen ist, das auch nicht durch Talsperrenwasser ersetzt werden kann, kann man darüber nur den Kopf schütteln.
16 Gruppen und Verbände unterstützen die Petition zum Schutz des Trinkwassers auf der Unterschriftenliste der Aktionsgemeinschaft Pro Wasserschutz Nordharz. Darin fordern die Mitglieder der Aktionsgemeinschaft nach einem Störfall vom Ende 2005 den Landkreis Goslar als zuständige Behörde auf, die Ausweisung eines Wasserschutzgebietes unverzüglich einzuleiten.
Zu den Unterstützergruppen gehören neben dem BUND und dem NABU u.a. die Propstei Lebenstedt, die Kreisverbände der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und des Kinderschutzbundes Salzgitter, die Agenda-Gruppen Goslar und Salzgitter, das Umweltschutzforum und das Mütterzentrum Salzgitter. Die Initiatoren Thomas Ohlendorf (BUND) und Walter Wimmer (NABU) laden auch andere Gruppen und Bürger ein, sich der Petition anzuschließen.
Karstgrundwasserschutz im Nordharzvorland - warum?
Grundwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Im Durchschnitt liegt der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch hierzulande bei ca. 140 l. Daher kommt gerade dem Grundwasser als Ressource eine überragende ökonomische und ökologische Bedeutung zu.
In Abhängigkeit von der Geologie des Aquifers läßt sich Grundwasser in Poren-, Kluft- und Karstgrundwasser differenzieren. Insbesondere auf die Verschmutzungsempfindlichkeit des Karstgrundwassers soll hier anhand des im Nordharzvorland gelegenen Wasserschutzgebietes Goslar-Langelsheim-Baddeckenstedt eingegangen werden. Dabei ist die bekannte Tatsache von besonderer Bedeutung, dass durch Schadstoffe kontaminierte Karstgrundwässer sich selbst kaum zu reinigen vermögen und daher bis zu ihrer Förderung im Wasserwerk oft praktisch unfiltriert bleiben.
Bekannte Beispiele für Karstgrundwasserleiter, die für die Trinkwasserversorgung erschlossen sind, sind z. B. der Paderborner Muschelkalkkarst (Geyh & Michel 1979), die Schwäbische Alb (Flinspach & Mehlhorn 1982) oder der alpine Karst in Österreich (Zötl 1974, 1986).
In Südniedersachsen ist das am Südrand des Harzes gelegene Pöhlder Becken als Karstgrundwassergebiet zur Trinkwasserversorgung von Bedeutung (Ricken & Knolle 1986). Relativ unbekannt ist dagegen das Karstgerinne im Bereich der Innerstemulde an der Nordwestspitze des Harzes, welches vorwiegend zur Wassergewinnung für den Industrieraum Salzgitter genutzt wird.
Lage und geologischer Bau der Innerstemulde
Die Innerstemulde bildet den nordwestlichen Abschluss der subherzynen Kreidemulde und umschließt eine Fläche von rund 150 km zwischen Goslar im Südosten und Baddeckenstedt im Nordwesten; nach Süden wird sie vom Harzrand begrenzt - siehe untenstehende geologische Karte: Innerstemulde zwischen Harzvariszikum (braun) und Salzgitter-Lebenstedt.
Die Innerstemulde untergliedert sich in die fast quadratische Ringelheimer Ebene im Nordwestbereich der Mulde und die Bredelemer Ebene im Südosten. Ihren Namen hat die Innerstemulde von dem Fluss Innerste, der bei Langelsheim, der am Fuße des Harzes gelegenen Industriestadt, dieses Mittelgebirge verläßt.
Die Muldenfüllung besteht im wesentlichen aus gut verkarstungsfähigen Karbonatgesteinen der Oberkreide (Cenoman- und Turonplänerkalke). Zum Muldeninneren werden die Plänerkalke von schwer wasserdurchlässigem Emschermergel (mittleres und oberes Coniacum, unteres Santon) überdeckt. Zur Muldenachse hin erreicht die Emschermergelüberdeckung eine maximale Mächtigkeit von bis zu 600 m. Durch diese Überdeckung wird das unterirdisch in den karstbedingt aufgeweiteten Klüften des Turonpläners abfließende Wasser gestaut und fließt so, gelenkt durch diesen sog. "Barrierestau", d.h. an der Schichtgrenze von verkarstetem Turon und wasserstauendem Emschermergel, zum tiefsten erreichbaren Punkt des Plänerkalkausstrichs bei Baddeckenstedt an der nordwestlichen Begrenzung der Innerstemulde.
Entdeckungsgeschichte und Verlauf des Gerinnes
Bereits 1889 erfolgte durch Versenkung von Endlaugen einer Chlorkaliumfabrik in zwei Bohrungen am Kahnstein nordöstlich von Langelsheim der erste Nachweis für ein zusammenhängendes Karstgerinne, da in den Karstquellen von Alt Wallmoden und Baddeckenstedt Laugenbeimengungen festgestellt wurden. Daraufhin durchgeführte Färbeversuche zeigten, dass sich das Karstgerinne mindestens bis zum Gut Riechenberg an der nordwestlichen Stadtgrenze Goslars erstreckt, wo Bachschwinden festgestellt wurden. Das gesamte Karstgerinne weist somit eine Länge von mindestens 27 km Luftlinie auf. Die mittels der Färbeversuche errechneten Fließgeschwindigkeiten für das Karstwasser liegen um 100 m/h.
Die genaue Herkunft des Wassers ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Aufgrund der in den Karstquellen von Alt Wallmoden und Baddeckenstedt austretenden Wassermengen läßt sich jedoch errechnen, dass die Speisung aus im Einzugsgebiet versickernden Niederschlägen allein nicht ausreicht. Daher muss von zusätzlichen Zuflüssen aus der Nordharzrandverwerfung bzw. aus dem Kluftwasseraquifer des Harzpaläozoikums ausgegangen werden.
Morphologisch ist ein fossiler Verlauf des Karstgerinnes Goslar - Langelsheim - Alt Wallmoden - Baddeckenstedt durch eine Kette von Erdfällen nachgezeichnet. Der rezente Gerinneverlauf ist an der Schichtgrenze von unterlagerndem Turonpläner zu überdeckendem Emschermergel anzunehmen. Er hat sich ständig in Richtung Muldenachse verlagert, da die Grenze der stauenden Mergelüberdeckung durch Erosion und tektonisch bedingte, nacheiszeitliche Hebung der Sattelflanken in Richtung Muldenachse gewandert ist.
Ein Teil des heutigen Karstgerinnes tritt in Form von zwei Springquellen in Alt Wallmoden am Gitter-Knie, wo der Lutterer Sattel in die Innerstemulde hineinbiegt und so eine Steilerstellung der Schichten mit einer Querschnittsverengung für das Karstgerinne bewirkt, aus. Weitere Karstquellen befinden sich in Baddeckenstedt am Muldenschluss. Sowohl in Alt Wallmoden als auch in Baddeckenstedt wird die Ressource durch Wasserwerke der heutigen Salzgitter AG zur Trinkwasserversorgung von ca. 300 000 Menschen im Industrieraum Salzgitter genutzt. Entsprechend dem Erlaubnisbescheid liegt die maximale Fördermenge bei 9,46 Mio. l/a.
Der Kirschensoog - eine periodische Karstquelle
Eine interessante Karstquelle ist der Kirschensoog, der im Rahmen einer Diplomarbeit am Geographischen Institut der Universität Göttingen untersucht wurde (Jacobs 1988). Ca. 2 km westlich der Ortschaft Alt Wallmoden gelegen, entwässert diese periodisch wasserführende Erdfallquelle über einen Graben in die Neile, welche wiederum in die Innerste mündet.
Der Kirschensoog wurde von Kolbe (1980) und anderen Autoren als Heberquelle, bei der ein unterirdischer Hohlraum durch Heberwirkung eruptiv geleert wird, mit einer maximalen Schüttung von 3 m beschrieben (zum Vergleich: die Rhumequelle im Pöhlder Becken als stärkste Quelle in Niedersachsen hat eine Schüttung zwischen 0,9 und 5,5 m/s). Der Kirschensoog liegt die meiste Zeit des Jahres trocken und führt nur nach ergiebigen Sommergewittern und nach der Schneeschmelze Wasser.
Während eines von Jacobs untersuchten Schüttungsereignisses, bei dem sich die Füllung des Quellbodens über drei Tage hinzog, bis ein Abfluss über den Graben in die Neile erfolgte, konnte ein plötzlicher, sehr starker Anstieg der Schüttung von 22,1 l/s auf 416,0 l/s festgestellt werden. Zur gleichen Zeit wurde im Wasserwerk Alt Wallmoden die Förderung eingestellt, da eine starke Trübung des Wassers mittels der dort installierten Trübesonde festgestellt wurde. Solche Ereignisse treten nach Aussage des Wasserwerkbetreibers bei extrem hohen Wasserständen im Karstgerinne auf. Der um fünf Stunden zeitverzögert erfolgende Anstieg der Schüttung im Kirschensoog deutet auf eine Druckwelle, die, ausgelöst durch große Mengen neuer Zuflüsse, dem Wasser im höhlenartig erweiterten Gerinnesystem vorauseilt und so zu einer Zunahme der Schüttung führte. Der höchste Abfluss während des gesamten Untersuchungszeitraumes betrug 963,3 l/s und erfolgte nach der Schneeschmelze.
Während dieses größten Schüttungsereignisses konnte festgestellt werden, dass ab einer Schüttung des Kirschensoogs über 700 l/s Wasser aus einer Quellreihe unmittelbar neben der Neile auf einem Acker ca. 3 m über dem Neilewasserspiegel austritt. Dieses Wasser entstammte eindeutig dem Karstgerinne, wie durch chemische Analysen gezeigt werden konnte.
Der Kirschensoog stellt ein "offenes Fenster" des Karstgerinnes zur Erdoberfläche dar und wirkt so als Überdruckventil. Der Düker unter der Neile, d.h. die Stelle, an dem das unterirdische Karstgerinne die oberflächlich abfließende Neile quert, ist nur für einen normalen Abfluss im Karstgerinne dimensioniert. Steigt der Wasserstand im Karstgerinne bei Hochwassersituationen an, kommt es zu einem Rückstau im Gerinne und zu einem Anspringen des Kirschensoogs. Dieses Anspringen hat aber offensichtlich nichts mit einem Hebermechanismus zu tun.
Die Nitratproblematik im Karstwasser
Aufgrund der seit 1952 angestiegenen Nitratkonzentration in den Quellwässern von Alt Wallmoden und Baddeckenstedt besteht seitens der Wasserwerke Handlungsbedarf.
Ursachen der hohen Nitratwerte sind primär der flächenhafte Düngereintrag der Landwirtschaft im Einzugsgebiet des Karstgerinnes, aber auch die atmosphärische Deposition und punktuelle Kontaminationen im Stadtgebiet von Langelsheim.
Bedingt durch den Harzer Bergbau war Langelsheim als alter Industriestandort schon seit Jahrhunderten ein Zentrum für Hütten- und weiterverarbeitende Betriebe der Metallindustrie. Mit dem Rückgang des Bergbaus im Harz verlagerten viele Betriebe ihren Produktionsschwerpunkt auf chemische Erzeugnisse. Neben vielerorts anzutreffenden Schlackenhalden als Relikte der Hüttenindustrie gibt es daher in Langelsheim heute eine Reihe produzierender Betriebe der chemischen Industrie.
Auf dem Firmengelände einer zwischenzeitlich stillgelegten Stickstoffdüngerfabrik, das mittlerweile von einem Recyclingbetrieb genutzt wird, war ab 1938 als Rüstungsbetrieb eine chemische Fabrik der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft (WiFo) angesiedelt. Hier entstanden Vorprodukte für die militärische Sprengstoffherstellung, vorwiegend hochkonzentrierte Salpetersäure (sog. HoKo). Nahegelegene Flächen dienten der Produktion und Lagerung kriegswichtiger Chemikalien. Nach dem Krieg änderte man die Produktionspalette der Salpetersäurefabrik und stellte Stickstoffdünger her. 1986 wurde die Produktion eingestellt. Infolge der langjährigen industriellen Nutzung dieses Geländes erfolgt eine von dort ausgehende Karstwasserkontamination durch wassergefährdende Substanzen.
Bei 1987 angestellten Untersuchungen des Staatlichen Amtes für Wasser und Abfall (vormals Wasserwirtschaftsamt) Göttingen wurden in einem im Abstrom dieses Firmengeländes gelegenen Vorfluter - - der -Kleinen Tölle - - Nitratkonzentrationen - von bis zu 1591 mg/l gemessen. Dieser Vorfluter, der neben der Oberflächenentwässerung des ehemaligen Firmengeländes der Düngemittelfabrik auch die Betriebsabwässer eines heute noch produzierenden Chemiebetriebes der Heubach-Gruppe aufnimmt, sitzt der Innerste zu, welche wiederum unter bestimmten hydrologischen Voraussetzungen durch Versickerung Wasser an das Karstgerinne abgeben kann.
Weiterhin müssen aber auch unterirdische Wasserwegsamkeiten zwischen dem Untergrund der Stadt Langelsheim und dem Karstgerinne angenommen werden. Bereits von Popp (1960) wurden unterirdische Zuflüsse in das Karstgerinne aus dem Bereich der Stadt Langelsheim vermutet.
Der flächenhafte Nitrateintrag durch landwirtschaftliche Düngung und eine damit verbundene Nitratauswaschung trägt wesentlich zur Kontamination des Karstwassers bei. Wasserproben aus Pegeln im Bereich nördlich des Klosterguts Riechenberg bei Goslar weisen Nitratgehalte von 56 bzw. 58 mg/l auf (Wolff et al. 1988) - hier ist das Wasser noch nicht industriell belastet!
Forderungen für die nächsten Jahre
--> Ausweisung des Wasserschutzgebietes
--> Überprüfung aller Einleitererlaubnisse im Einzugsgebiet des WSG! Hier ist insbesondere der Raum Langelsheim von größter Bedeutung - dort ist eine Reihe von kritischen Betrieben ansässig!
--> Kalkabbau am Kahnstein: Nachdem das Kaliwerk Hercynia in Langelsheim seine Abwässer aus der Kaliaufbereitung in Schächten vor dem Kahnstein versenkte, wurde das Wasser in den Quellen Alt Wallmoden und Baddeckenstedt ungenießbar. Weiterhin wurde beobachtet, dass nach Sprengarbeiten im Einzugsgebiet am Kahnstein die Quellen von Alt Wallmoden und Baddeckenstedt abgeschaltet werden mussten, weil in der Folge der Sprengungen durch Versturz unterirdischer Hohlräume Trübungen des geförderten Rohwassers auftraten und die Wassergewinnung zeitweise unmöglich werden ließen. Es ist wasserrechtlich zu besorgen, dass der Steinbruchbetrieb durch die Rohstoffbetriebe Oker als Betreiber am Kahnstein erhebliche negative Effekte auf die genannten Trinkwasserbrunnen ausübt!
--> Gewerbegebiet Bassgeige der Stadt Goslar: In der unmittelbaren Nähe zu nachgewiesenen Schluckstellen am Riechenberger Graben hat die Stadt Goslar die Ausweisung von Gewerbegebieten vorgenommen. Eine negative Beeinflussung des Karstwassers von hier ist ständig zu besorgen.
Literatur
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